Frankfurt und die wundersame Erfolgsstory - «Blut geleckt»

von Marcel Breuer | dpa10:45 Uhr | 01.04.2019
Eintracht Frankfurts rasanter Aufstieg vom als Absteiger gehandelten Club zum seriösen Champions-League-Anwärter spiegelte sich in einer Szene.

Als der im Sommer von Experten und Anhängern noch verspottete Filip Kostic gegen seinen Ex-Verein VfB Stuttgart das Feld verließ, gab es für den Matchwinner donnernden Applaus. «Der Applaus, der losgebrochen ist, als er ausgewechselt wurde, spricht Bände», sagte Trainer Adi Hütter, der Kostic als Vorzeigeprofi beschrieb und anprangerte, in «welche Schublade» man ihn im vergangenen August bei seiner Verpflichtung gesteckt habe.

Der Doppeltorschütze aus Serbien, der mit dem Hamburger SV und dem VfB in den vergangenen Jahren abstieg, ist plötzlich nicht mehr das Symbol für sportlichen Niedergang. Sondern für die erstklassige Transferpolitik des deutschen Pokalsiegers - und ein kleines modernes Fußball-Märchen, das schon bald in Duellen mit Lionel Messi oder Cristiano Ronaldo in der Königsklasse gipfeln könnte.

«Die Träumerei geht sicherlich weiter», stellte der eher nüchterne Hütter nach dem souveränen 3:0 gegen Stuttgart fest. Die Zahlen und Fakten geben Spielern und Anhängern recht: Die Eintracht ist in 14 Pflichtspielen 2019 ungeschlagen, steht nach dem fünften Liga-Sieg in Serie auf Champions-League-Rang vier und hat auch in der heiß geliebten Europa League vor dem Viertelfinale gegen Benfica Lissabon (11./18. April) Chancen auf den ganz großen internationalen Wurf.



Dabei lasen sich die Zutaten der Eintracht-Frankfurt-Sensation zum Start der Spielzeit nämlich alles andere als furios: Vier Abgänge von Stammspielern, der Wechsel von Niko Kovac zum FC Bayern, ein eher unbekannter Österreicher auf der Trainerbank und keine besonders großen Investitionen in den Kader, dazu die Dreifachbelastung mit der Europapokal-Teilnahme. «Wir haben das ganze Jahr Mentalität gezeigt. Die Situation ist sehr positiv für uns», befand Hütter.

Sieben Spieltage vor Saisonende hat die Eintracht nicht nur die seit Wochen strauchelnden Gladbacher auf Rang vier abgelöst, sondern den Abstand nach unten auch ausgebaut. «Nicht der vierte Platz ist zu diesem Zeitpunkt wichtig, sondern die sieben Punkte Vorsprung auf den siebten Rang», sagte Sportvorstand Fredi Bobic. Gemeinsam mit Sportdirektor Bruno Hübner baute er mit verhältnismäßig kleinem Geld eine schlagkräftige Truppe, die in Luka Jovic (16 Tore), Sebastien Haller (14) und Ante Rebic (8) das beste Sturmtrio der Liga stellt.

Martin Hinteregger, im Winter beim FC Augsburg nicht mehr glücklich, sagte: «Es macht einfach Spaß mit diesem Team zu spielen.» Der Österreicher ist neben Kevin Trapp und BVB-Leihgabe Sebastian Rode eines von vielen Beispielen für ein exzellentes Transfer-Händchen von Bobic und Hübner. Jeder personelle Schachzug geht auf, die Rollen im Team sind klar verteilt. So ist der 35 Jahre alte Makoto Hasebe noch immer der Abwehrchef und zentrale Figur im Eintracht-Spiel.


Das kleine Märchen ist aber noch nicht auserzählt. Theoretisch kann sich die Eintracht als Bundesliga-Vierter für die Königsklasse qualifizieren - oder als Gewinner der Europa League. Mit «diesen Fans, dieser Euphorie und diesen Spielern» würde die Eintracht «auf jeden Fall in die Champions League passen», meinte Rode. Siege über Inter Mailand, Lazio Rom und Olympique Marseille haben Lust auf noch größere Reisen gemacht. Rode sagt: «Wir stehen jetzt auf dem vierten Platz, den wollen wir nicht mehr hergeben. Wir haben Blut geleckt.»

(dpa)

Es ist ein Stück weit die Geilheit, so ein Spiel zu gewinnen, die uns noch ein bisschen fehlt.

— Nils Petersen, SC Freiburg, nach einem 0:0 gegen Bremen, 2017.