Fußball ist kein reines Business

von Günther Jakobsen11:31 Uhr | 29.02.2020
Die Fußball-Welt hat einen Schuldigen gefunden: Jürgen Klinsmann. Er hat es uns aber auch nicht schwer gemacht mit seinen Handlungen in den letzten Wochen. Doch ist er wirklich die Hauptursache, warum Hertha meilenweit vom Big City Club entfernt ist? Oder herrscht hier ein alter Investoren-Irrtum, der denkt Fußball ist reines Business?


 Mit dem Amtsantritt von Jürgen Klinsmann war die Vision endgültig in aller Munde, die Hertha wollte zum mittlerweile vielfach zitierten “Big City Club” werden. Doch das war nicht die Idee von Jürgen Klinsmann, er war lediglich der prominente Pate, der dem Ganzen ein Gesicht geben sollte. Doch so recht funktionierte dies von Anfang an nicht und das schmutzige Ende ist uns mittlerweile allen bekannt.

 Die Hertha ist längst nicht der erste Klub, bei dem es nach einem Investoren-Einstieg mit großen Plänen und noch größeren Zielen zu chaotischen Zuständen kommt. Auch in Hamburg und in München-Giesing wurde in den letzten zehn Jahren viel von Champions League geredet, die Ergebnisse sind bekannt.

 Auch der neue Hertha-Investor Lars Windhorst, der Jürgen Klinsmann zu Hertha BSC brachte, äußerte von Anfang an große Ziele. Klinsmanns Auftrag dabei lautete, er solle den fußballerischen Sachverstand zum Projekt “Big City Club” beisteuern. Doch leider übersah Windhorst, dass der ehemalige Bundestrainer gerne dazu neigt, weit mehr zu übernehmen als den rein fußballspezifischen Bereich. In der Vergangenheit gab es davon genug positive (DFB-Team) als auch negative (FC Bayern) Beispiele.

 Somit ist also nicht allein Jürgen Klinsmann Schuld, dass die Hertha den enormen Ansprüchen deutlich hinterher hechelt, sondern auch und vor allem Lars Windhorst.

 Ihm wäre daher sicherlich gut geraten, die sportlichen Entscheidungen in Zukunft den wirklich dafür zuständigen Personen, allen voran Michael Preetz, zu überlassen. Der ehemalige Hertha-Torjäger mag zwar nicht der sein, der die Hertha nach außen als hip und cool verkaufen kann, er macht dafür aber seit Jahren grundsolide Arbeit.



 Die Hertha leidet zur Zeit unter einem bekannten Phänomen, welches oft auftritt, wenn plötzlich großes Geld und mächtige Interessen auf ein in sich geschlossenes und funktionierendes Fußballklub-Ökosystem (Verein, Angestellte, Fans, Mitglieder) treffen.

Das große Geld lockt mit goldigen Versprechungen und will den Klub von Grund auf verändern. Doch oftmals verstehen die neuen Geldgeber oder ihre mitgebrachten “Experten” gar nicht, wie dieser Verein tickt und was ihn für die Menschen, die seit Jahren Teil davon sind, ausmacht. 

 Somit kann ich abschließend Lars Windhorst nur empfehlen, in Zukunft möglichst viel Vertrauen in die vorhandenen Hertha-Strukturen zu setzen und diese erstmal wirklich kennen und verstehen zu lernen. Dieser Prozess wird Zeit und Geduld kosten, aber nicht so viel Geld und Imageverlust wie zum jetzigen Zeitpunkt. 

Erst im Anschluss, wenn er Teil dieser Struktur ist, kann ein gemeinsamer Aufstieg zum “Big City Club” oder was auch immer gelingen. 

 


Bis zur nächsten Grätsche



Euer Grischa

Ich habe mich auch bei Spielen unterm Dorfkirchturm für Schalke eingesetzt. Jetzt leiste ich dem Verein meinen letzten Dienst und wehre mich nicht gegen einen Transfer, dessen Erlös Schalke vielleicht retten kann.

— Schalkes Rolf ,,Rolli" Rüssmann über seinen Wechsel zum Revier-Rivalen BVB, mitten in der Saison 1980/81.