Kaderanalyse Union: Das verflixte 2. Jahr im Oberhaus – Köpenicks Ass heißt Kruse

von David Di Tursi15:33 Uhr | 17.09.2020
Max Kruse verteidigt seinen Wechsel nach Berlin
Mit der Aufstiegseuphorie im Rücken übertraf der 1. FC Union Berlin in ihrem Premierenjahr im Oberhaus alle Erwartungen – vielleicht sogar ihre eigenen. Am Ende stand ein elfter Platz und die Gewissheit, dass die Köpenicker in der Bundesliga mithalten können. Um das auch nach der kommenden Spielzeit behaupten zu können, gilt es jetzt, die gezeigten Leistungen zu bestätigen.

Präsident Zingler: „Werden nicht nachlassen“

Die Liga punktgleich mit dem neureichen Stadtrivalen Hertha BSC abzuschließen, hatten den Eisernen im letzten Sommer nur die allerwenigsten zugetraut. Auffällig am Saisonverlauf war, dass man konstant ablieferte. Den 20 Zählern aus der Hinserie folgte nämlich kein Leistungseinbruch sondern eine Rückrunde mit 21 Punkten. Selbst eine Sieglos-Serie von sieben Spielen brachten Trainer Urs Fischer und Manager Oliver Ruhnert nicht aus der Ruhe.

Auf die Frage nach dem Saisonziel gibt es für Fischer jedoch nur eine einzige Antwort: den Klassenerhalt. Präsident Dirk Zingler macht sich derweil vehement dafür stark, die Heimspiele schnellstmöglich wieder in einem vollen Stadion austragen zu dürfen: „Wir weichen nicht davon ab und werden nicht nachlassen in unseren Bemühungen, bis es erreicht ist.“

Saison-Vorbereitung ohne Königstransfer Kruse

Beim Test gegen den 1. FC Nürnberg durften erstmals wieder 5.000 Zuschauer in die Alte Försterei. Für Zingler ein „Anfang“ – doch ein ausverkauftes Haus wird angesichts der Testphase mit maximal 20 Prozent Auslastung mindestens bis Ende Oktober ein Traum bleiben. Derweil lief die Vorbereitung für Union, zuletzt ligaweit drittschwächstes Auswärtsteam, aufgrund vieler Verletzungen durchwachsen.

Testspielsiegen über Cottbus, Dresden, Nürnberg und Würzburg stehen Schlappen gegen WSG Wattens und Ligakonkurrent Köln sowie ein Remis bei Ajax gegenüber. Im Pokal musste man gegen den KSC (1:0) in die Verlängerung. In keiner dieser Partien kam Ruhnerts Königstransfer zum Einsatz: der Ex-Bremer Max Kruse. Nach seiner Sprunggelenksverletzung peilt er den Liga-Auftakt gegen den 1. FC Augsburg an.

Zugänge

Top-Zugang: Max Kruse

Nach der Kündigung bei Fenerbahce hatte der 32-Jährige zahlreiche Optionen, darunter seinen Ex-Klub Bremen sowie Hertha und Schalke. Den Zuschlag bekam allerdings Union, das mit der Verpflichtung von Kruse einen echten Coup landete und den Ex-Nationalspieler standesgemäß mit der Rückennummer 10 ausstattete.

Für die viertschlechteste Offensive der vergangenen Saison könnte der Linksfuß das entscheidende Puzzleteil sein. Und Kult-Kicker Kruse, seit Jahren als Hallodri verschrien, beteuert: „Ich bin nicht hier, um mich um das Nachtleben in Berlin zu kümmern. Ich bin hier, um Fußball zu spielen.“ Mit Knoche, Gießelmann und Luthe hat man zudem weitere Erstligaerfahrene Profis an Land gezogen.

Feste Zugänge



Marius Bülter, 1. FC Magdeburg, 1,5 Mio. Robin Knoche, Wolfsburg, ablösefrei Max Kruse, Fenerbahce Niko Gießelmann, Düsseldorf, ablösefrei Sebastian Griesbeck, Heidenheim, ablösefrei Andreas Luthe, Augsburg, ablösefrei Cedric Teuchert, Schalke


Geliehen

Keita Endo, Yokohama Warriors Nico Schlotterbeck, SC Freiburg


Leih-Rückkehrer

Lars Dietz, Victoria Köln Lennart Moser, Cercle Brügge Berkan Taz, Energie Cottbus


Abgänge

Schwerster Abgang: Rafal Gikiewicz

Der Pole wäre gern geblieben, konnte sich mit Union aber nicht auf einen neuen Vertrag einigen. Ob Luthe ein gleichwertiger Ersatz ist, muss sich erst noch zeigen. Mit Parensen, Kroos oder Polter hat man weitere Identifikationsfiguren verloren. Ungleich schwerer wiegt der Abgang von Torjäger Sebastian Andersson, allerdings spült der Schwede die Rekordsumme von 6,5 Mio. in die Kassen. Auch Keven Schlotterbecks Verlust schmerzt, Köpenick voraussichtlich auf eigenen Wunsch noch verlassen wird Neven Subotic.

Feste Abgänge

Sebastian Andersson, 1. FC Köln, 6,5 Mio. Florian Flecker, Würzburger Kickers Rafal Gikiewicz, Augsburg, ablösefrei Julius Kade, Dynamo Dresden Felix Kroos, Braunschweig, ablösefrei Yunus Malli, Wolfsburg, Leih-Ende Lennard Maloney, BVB II Moritz Nicolas, Gladbach, Leih-Ende Maurice Opfermann Arcones, vereinslos Leo Oppermann, HSV II, ablösefrei Michael Parensen, Karriereende Sebastian Polter, Fortuna Sittard, ablösefrei Ken Reichel, VfL Osnabrück, ablösefrei Keven Schlotterbeck, Leih-Ende Manuel Schmiedebach, vereinslos Verliehen



Laurenz Dehl, Hallescher FC Nicolai Rapp, Darmstadt 98 Suleiman Abdullahi, Braunschweig

Simple Spielweise: „Wird ein Mittel bleiben“

Da sich zahlreiche altgediente Profis verabschiedet haben, müssen Christopher Trimmel und Christian Gentner mehr Präsenz zeigen. Kruse kann die kreative Schaltzentrale als Schlüsselspieler mit Leben füllen und sagt: „Ich will’s den Leuten in Deutschland einfach noch mal zeigen.“ Nach Anderssons Abgang sucht Union jedoch noch einen neuen Zielspieler.

Der oft alternativlose lange Ball darf jedoch nicht zur Patentlösung werden. „Wir werden uns den nicht verkneifen, er wird auch in der neuen Saison ein Mittel bleiben. wir waren damit erfolgreich und wären blöd, wenn wir das nicht machen würden“, wendet Kapitän Trimmel ein. Dennoch muss es Fischer gelingen, die Spielanlage weniger ausrechenbar auszurichten. Nicht umsonst heißt es bekanntlich, dass für Aufsteiger das zweite Jahr das schwerste ist.

Drittes Jahr mit Fischer: Aufstieg, Klassenerhalt – und jetzt?

Die Ligakonkurrenz wird die Eisernen schließlich nicht mehr unterschätzen. Sollten die Hauptstädter in ihrem womöglich bald ausverkauften Stadion mal schwächeln, könnte ihnen eine Auswärtsschwäche diesmal das Genick brechen.

Neben Aufsteiger Bielefeld gehört man aufgrund der wirtschaftlichen Möglichkeiten zu den heißesten Abstiegskandidaten. Sollte Kruse der erhoffte Dreh-und Angelpunkt werden, wäre einer dritten Erstliga-Saison der Weg geebnet. Mit dem Kader darf man sich realistische Hoffnungen auf den Ligaverbleib machen. Alles andere als nackter Überlebenskampf wäre dennoch eine Überraschung.

Mögliche Top-Elf

Luthe – Trimmel, Friedrich, Knoche, Gießelmann -Andrich, PrömelIngvartsen, Kruse, Bülter – Teuchert



Es geht nur darum, nichts falsches zu sagen. Alle sind lieb, nett und haben keine Persönlichkeit.

— Robert Huth