Lückenlose Aufklärung? Dopingkontrollen im Fußball

von Günther Jakobsen13:33 Uhr | 23.04.2019
Während das Thema Doping im Wintersport aktuell hohe Wellen schlägt, ist es im Fußball seit der Weltmeisterschaft in Russland im vergangenen Jahr wieder sehr ruhig geworden um die Einnahme verbotener Substanzen. Dabei gibt es nach wie vor genug Gründe, sich eingehend und kritisch mit Doping im professionellen Fußball auseinanderzusetzen.

Doping, das sind die anderen

Vor etwas mehr als 24 Jahren wurde Roland Wolfarth, immer noch einer der besten Torjäger in der Geschichte des FC Bayern, zu einer zweimonatigen Sperre und einer Geldstrafe von 60.000 Mark verurteilt – dieses erste Dopingurteil der Bundesliga erging am 16. Februar 1995.

Bei seiner Verpflichtung durch den VfL Bochum hatte der gebürtige Bocholter ein Gewichtsproblem, er ging dies mit dem Appetitzügler Recatol N an. Das Medikament enthält auch Norephedrin, dessen Einnahme allerdings verboten ist. Bei einer Dopingkontrolle im Rahmen eines Hallenturniers fiel der Stürmer deswegen auf. Statt eines sofortigen Einstiegs in den laufenden Abstiegskampf der Bochumer verbüßte Wohlfarth daher zuerst seine Strafe.

Sein Fall demonstriert auch mehr als zwei Jahrzehnte später, immer noch die zahlreichen Probleme im Umgang mit Doping im Fußball, die bis heute nicht an Aktualität verloren haben.

  • Der vermeintliche Zwang, die eigenen Leistungen notfalls mit allen Mitteln – erlaubte oder unerlaubt – zu steigern, um gegen die Konkurrenz zu bestehen.
  • Die oftmals fehlende Aufklärung, welche dieser Mittel bedenkenlos eingenommen werden können und welche auf dem Index der nationalen und internationalen Anti-Doping-Agenturen stehen.
  • Die vergleichsweise Zufälligkeit der Stichproben, die nur bedingt den Eindruck eines systematischen Vorgehens gegen das Doping erwecken.
„Einzelfälle“ mit System

Ebenfalls ein Problem: Die Hang dazu, nachgewiesene Dopingversuche als Einzelfälle abzutun. Roland Wohlfarth ist weder ein Einzelfall, noch ist er in der Geschichte der Fußball-Bundesliga der erste Doper – lediglich der erste, der in diesem Zusammenhang verurteilt wurde. Neben den Hinweisen auf systematisches Doping, wie es in den 1980er Jahren zwischen der Uniklinik Freiburg, dem Freiburger SC und dem VfB Stuttgart betrieben wurde, ist Wohlfarths Geschichte auf beinahe dramatische Weise harmlos.

Unverständlich muss rückblickend vor allem der Umgang mit den Hinweisen auf Anabolika-Lieferungen bewertet werden, die bereits ab dem Sommer 1979 belegt waren. Publik wurden Behandlungen mit Steroiden allerdings erst sehr viel später. Der Fall des damaligen Freiburger Torhüters Gerd Sachs etwa erst 1994, obwohl er bereits in der Winterpause der Saison 1991/92 Anabolika genutzt hatte. Ohne sein Wissen, wie sein Trainer zwei Jahre nach der Behandlung zugab – niemand geringeres als Volker Finke, der unlängst erst für sein Lebenswerk ausgezeichnet wurde.


Der VfB Stuttgart war einer der Nutznießer des Dopingnetzwerks, das in den 1980ern von der Uniklinik Freiburg aus versorgt wurde. Bild: karosieben | Pixabay


Schwerwiegender wird der Fall nur noch dadurch, dass die Uniklinik in Freiburg zu dieser Zeit bekanntermaßen im westdeutschen Raum das Zentrum eines weitreichenden Netzwerks für Doping unterhielt. Durch die Lieferungen an das Radsportteam der Telekom nimmt die Freiburger Klinik zudem einen festen Platz in den größten Dopingskandalen in der Geschichte des Leistungssports ein. Gerade die Radfahrdisziplinen kämpfen nach wie vor mit entsprechenden Skandalen. Nachdem Dopingmaßnahmen grundsätzlich bereits in der Antike bekannt waren, ist der Fußball jedoch ein eher junges Mitglied in diesem kritisch betrachteten Kreis.

Anders als in vielen Sportverbänden wurde die Rolle der Klinik jedoch zum Anlass genommen, die unrühmliche Vergangenheit der Freiburger Sportmedizin grundlegend aufzuarbeiten. Die durch die entsprechend eingerichtete Evaluierungskommission erstellten Gutachten sind über eine eigene Webseite der Uniklinik Freiburg frei einsehbar.

Ein Problem von internationaler Tragweite

Angesichts einer solchen Historie muss es verwundern, dass die Zahl der Verfechter eines vollkommen sauberen Fußballgeschäfts nach wie vor so groß ist und prominente Namen trägt. Zum Beispiel Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt, über viele Jahre hinweg Mannschaftsarzt bei der Nationalelf und dem FC Bayern München und ohne Übertreibung eine Kapazität auf seinem Gebiet, mit Patienten weit über den Deutschland hinaus.

Im vergangenen Jahr sorgte er mit einer kontroversen Sichtweise auf das Doping im Profifußball jedoch für heftige Kritik. Die Verabreichung von Substanzen zur Förderung des Muskelaufbaus würde nichts bringen, das würde die Spieler nur schwer werden lassen. „Die Elastizität ginge verloren, wie auch die Flexibilität und die Leichtigkeit“, gab Müller-Wohlfahrt gegenüber der „Zeit“ an.


Die Wirkungsdauer von Stimulanzien hätte darüber hinaus langfristig einen gegenteiligen Effekt. Nach der Einnahme „ist der Akku anschließend leer“, im nächsten Spiel drohe dem Spieler stattdessen ein Leistungsabfall. Einer der Gründe dafür, dass es seiner Einschätzung nach kein Doping im Fußball gibt.

Eine Frage der Definition

Müller-Wohlfahrts Verdienste um den deutschen Spitzenfußball in allen Ehren, aber eine solche Aussage muss in Anbetracht dokumentierter Einzelfälle und Beispielen für weitreichende Dopingversuche wie in Freiburg und Stuttgart mindestens verwundern. Zumal Doping längst über den schnelleren Muskelaufbau hinaus ist und in vielerlei Hinsicht leistungssteigernd wirken kann. Einige Beispiele aus der näheren Vergangenheit:

Sergio Ramos

Im Jahr 2018 zeigt die Enthüllungsplattform „Football Leaks“ unter anderem zwei vermeintliche Verstöße des Innenverteidigers von Real Madrid gegen Anti-Doping-Regularien auf, der „Spiegel“ veröffentlichte diese. Zum einen lautete der Vorwurf gegen Ramos, sich im Anschluss an ein Ligaspiel gegen den FC Malaga nach Abpfiff der Dopingkontrolle entzogen zu haben, was Real Madrid umgehend dementierte.

Zum anderen soll der Abwehrchef nach dem gewonnenen Champions League-Finale 2017 (4:1 gegen Juventus Turin) positiv auf das Kortison Dexamethason getestet worden sein – ein verbotenes Präparat, wie es unter anderem bei der Darstellung des Vorfalls bei Sky Sport heißt. Das ist so weit richtig, ein eindeutiges Dopingvergehen konnte dennoch nicht ausgemacht werden, was in erster Linie an einer bestehenden Ausnahmeregelung liegt, die Ramos für Dexamethason vorweisen kann.




Doping-Vorwürfe gegen Real Madrids Sergio Ramos Quelle: youtube.com

Dass der Teamarzt im dafür vorgesehenen Formular nach eigenen Angaben fälschlicherweise das ebenfalls verbotene Kortisonpräparat Bethamethason eintrug, kann vor diesem Hintergrund kaum als Täuschungsversuch gewertet werden. Genauso sahen es letztlich auch WADA und UEFA, die danach keinen Anlass für weitere Untersuchungen oder Sanktionen sahen.

Samir Nasri



Ebenfalls im Jahr 2017 wurde der damals an den FC Sevilla ausgeliehene Samir Nasri auffällig. Wenngleich sich die Umstände der Aufdeckung seines Dopings streckenweise recht amüsant lesen, ändert das nichts an den gravierenden Lücken in den Kontrollsystemen.

: Der bei seinem eigentlichen Arbeitgeber Manchester City wegen seines unzureichenden Fitnesszustands kritisierte Nasri fand in Spanien die idealen Bedingungen vor, um in diesem Zusammenhang mit unlauteren Mitteln für eine Verbesserung zu sorgen: Laut der spanischen Anti-Doping-Agentur AEPSAD hatte es in der höchsten spanischen Spielklasse seit einem Jahr gar keine Kontrollen mehr gegeben, die internationalen Standards entsprochen hätten, 2016 war Spanien deswegen durch die WADA zu einem „nicht konformen Staat“ erklärt worden.

Angesichts dieser Versäumnisse drohte das konkrete Vergehen des französischen Nationalspielers, nämlich Vitamininfusionen außerhalb der erlaubten Mengen erhalten zu haben, fast schon in den Hintergrund zu geraten. Am Ende musste er trotzdem eine Sperre von 18 Monaten verbüßen.

Russische Nationalmannschaft

Seit den Untersuchungen zum russischen „Staatsdoping“ werden Sportler sämtlicher Disziplinen aus Russland mit einem gewissen Argwohn betrachtet. Trotzdem hätte man die auffällige Leistungssteigerung der russischen Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft gerne der Stimmung in den heimischen Stadien zugeschrieben.

Nach einer überaus durchwachsenen ersten Jahreshälfte, in der die Gastgebermannschaft in keinem Testspiel überzeugen konnte und beim abschließenden Test gegen die Türkei (1:1) laut russischen Medien einen desolaten Zustand offenbarte, kam der zweite Platz in Gruppe A hinter den hochgehandelten Uruguayern in gewisser Weise überraschend.

Die deutlichen Siege gegen Saudi-Arabien im Eröffnungsspiel (5:0) und Ägypten (3:1) waren es in dieser Form mit Sicherheit. Gegen den späteren Finalisten Kroatien musste man sich im Viertelfinale erst im Elfmeterschießen geschlagen geben, nachdem es im Achtelfinale gegen die Spanier noch einen glücklicheren Ausgang gegeben hatte.

In beiden Spielen der KO-Runde waren mehrere russische Spieler aber nicht nur durch ihre Leistungen, sondern auch durch das Riechen an Wattebäuschen etwa in den Halbzeitpausen aufgefallen. Auf Nachfrage teilte ein Sprecher des russischen Verbandes ganz offen darauf hin, dass die Watte mit Ammoniak getränkt war. Vor allem bei Kraftsportlern ist das eine beliebte und verbreitete Methode, um den Körper kurzfristig zu stimulieren und einen Leistungsanstieg zu bewirken.

Die gelassene Reaktion der Russen auf Fragen nach der Ammoniak-Inhalation lässt sich aus den Anti-Doping-Regularien erklären: Obwohl die stimulierende und leistungssteigernde Wirkung von Ammoniak bekannt ist, wird es nicht als Doping-Mittel eingestuft. Dass das Mittel in jeder Apotheke frei erhältlich ist, untermauerte aus russischer Perspektive lediglich die Ansicht, damit kein Doping zu betreiben.

Was sich, neben anderen Schwierigkeiten, an diesen Beispielen erkennen lässt, ist die Problematik, klare Grenzen für erlaubte und unerlaubte Mittel zu ziehen. Die bisherigen Definitionen lassen offensichtlich noch genug Spielraum, um sich etwa über Ausnahmeregelungen oder tatsächlich ganz regelkonform einen Vorteil zu verschaffen.

Kontrollen im Fußball: Lücken im System

Die Definitionsfrage ist womöglich aber nur das kleinere Problem, wenn es um Doping im Fußball geht. Auch das belegen die genannten Beispiele: Die vorgenommenen Kontrollen, sofern es diese denn überhaupt gibt, sind letztlich kaum ausreichend, um eine flächendeckende Wirkung zu erzielen. Von DFB-Seite klingt das freilich anders. In einer Erinnerung an 30 Jahre Dopingkontrollen im deutschen Fußball, wird deshalb darauf verwiesen, dass die vorwiegend in der 2. Bundesliga aufgedeckten Fälle „zumeist auf Unkenntnis basierten“.

Das Fazit beim DFB fällt dementsprechend wohlwollen aus, „von systematischem Doping konnte jedenfalls keine Rede sein“, was als Erfolg der Kontrollen gewertet wird. Zweifel müssen angesichts aller Beteuerungen, Doping keineswegs als Tabuthema zu behandeln, auf der einen und den auffallenden Relativierungen (vorwiegend im Bundesliga-Unterhaus, meist wegen Unkenntnis) auf der anderen Seite, trotzdem erlaubt sein.

Das Lob auf das Kontrollsystem stammt immerhin aus dem Jahr 2018, ist also deutlich nach den Veröffentlichungen um das Doping-Netzwerk der Uniklinik Freiburg entstanden.

Das System Dopingkontrolle in der Bundesliga

Als Fortschritt ist demgegenüber zu bezeichnen, dass seit 2015 nicht mehr der DFB selbst, sondern die Nationale Anti-Doping-Agentur NADA für die Kontrollen verantwortlich ist. Am Prozedere hat sich allerdings nichts geändert, es entspricht immer noch dem aus dem Jahr 1988:

  • Pro Spieltag werden nach dem Zufallsprinzip jeweils drei Partien der 1. und 2. Bundesliga ausgewählt, nach denen Kontrollen durchgeführt werden sollen.
  • Im Beisein der Dopingbeauftragten der beiden gelosten Mannschaften zieht der Kontrolleur zwei Zahlen aus einem Beutel mit jeweils 18 Nummern für die Spielerkader. Diese werden in einem Umschlag verschlossen. Bekanntgegeben werden die gezogenen Spieler erst kurz vor dem Spielende, mögliche Manipulationen sollen damit so weit wie möglich ausgeschlossen werden. Für den Fall, dass sich einer der gelosten Spieler im Spielverlauf schwer verletzt, werden zwei zusätzliche Nummern gezogen und in einem separaten Umschlag aufbewahrt.
  • Eine lückenlose Kontrolle soll zudem durch den Einsatz sogenannter Chaperons gewährleistet werden. Dem DFB stehen mehr als 370 dieser Helfer zur Verfügung, allesamt ehemalige Schiedsrichter, so wollen es die Vorgaben der NADA. Ihre Aufgabe besteht darin, die ausgewählten Spieler nach dem Abpfiff zu beobachten und sie dem kontrollierenden Arzt zuzuführen.
  • Die Auswertung der Urintests (Minimum-Abgabe sind 90 ml) kann bis zu zwei Wochen in Anspruch nehmen, liegt eine positive A-Probe vor, soll der DFB innerhalb von 24 Stunden benachrichtigt werden.


Fußball und Doping | Kick off! Quelle: youtube.com

Die Lücken im System

Das Kontrollsystem hat trotz aller Bemühungen, eventuelle Lücken zu schließen, noch immer seine Schwächen. Beispiel Chaperon-System: Das wurde erst 2009 eingeführt, Anlass war das Verschwinden von zwei Spielern der TSG Hoffenheim in der Kabine, die ohne Umweg zur Kontrolle gehen sollten – ganz ähnlich, wie es auch Sergio Ramos vorgeworfen wurde.



Enger zeitlicher Rahmen der Kontrollen

Problematischer sind aber Kontrollen, die nicht unmittelbar nach einem Spiel durchgeführt werden, sondern jene „unberechenbare Zielkontrollen“, wie es bei der NADA heißt, die außerhalb dieser Gelegenheiten stattfinden sollen: Unangekündigte Überprüfungen im Trainingslager etwa oder an anderer Stelle werden entweder zu selten unternommen oder scheitern daran, dass die Kontrolleure gar keinen Zugriff auf die Spieler bekommen.

Wie im Fall von Bayerns Mittelfeldregisseur Thiago, der 2014 aufgrund eines bestehenden Dopingverdachts kontrolliert werden sollte. Nach Informationen des Vereins sollte er sich zu diesem Zeitpunkt in der Klink Quiron in Barcelona aufhalten, dort wurde den NADA-Mitarbeitern aber die Auskunft verweigert, ob sich der Spieler dort aufhalte. An seinem Wohnort und dem Münchener Trainingsgelände, die zeitgleich von den Kontrolleuren angesteuert wurden, war er ebenfalls nicht auffindbar, der Test konnte folglich nicht stattfinden.

Konsequenzen gab es keine, von Vereinsseite hatten die Informationen über den Aufenthalt des betreffenden Spielers vorgelegen, der Meldepflicht war damit Genüge getan, das Scheitern des Kontrollversuchs musste der Klinik angelastet werden. Grund für eine Sanktionierung von Verein oder Spieler sah der DFB jedenfalls nicht.



Dopingtests während des Trainings werden zwar gemacht, fraglich bleibt allerdings, ob deren Umfang ausreichend ist. Bild: Ivan Uralsky | Fotolia

Zu geringe Zahl der Kontrollen

Dabei wären mehr solcher Kontrollen, die nicht an den Spieltagen stattfinden, durchaus sinnvoll, um die Kontrolldichte zu erhöhen. Im vergangenen Jahr lag deren Zahl nach einem Bericht des NDR, der sich auf Angaben der NADA stützt, insgesamt 249. Die 18 Teams der 1. Bundesliga brachten es aber insgesamt auf 502 Spieler in ihren Kadern – kontrolliert würde demnach bestenfalls jeder zweite Profi und das einmal pro Saison.

In der Saison 2015/16 wurden nach einem Bericht des Bayrischen Rundfunks insgesamt 517 Proben genommen, von Spielern der 1. und 2. Bundesliga wohlgemerkt. Die Quote liegt dabei ähnlich hoch, wie es die Nachfragen des NDR ergeben hatten.

Anders verhält es sich mit Wettkampfkontrollen, bei denen – ebenfalls in der Saison 2015/16 – 1.395 Proben genommen wurden. Die Kontrollen umfassten allerdings die 1. und 2. Bundesliga, die 3. Liga, die Junioren-Bundesligen, die 1. Frauen-Bundesliga und die Partien des DFB-Pokals. Nach Hochrechnungen des BR stünden den knapp 1.400 Proben jedoch mehr als 66.000 mögliche Kontrollen gegenüber, würde in jedem Spiel jeder Spieler überprüft.

Liegt die Quote bei Trainingskontrollen noch bei 50 Prozent, sinkt sie unter diesen Voraussetzungen auf etwas mehr als zwei Prozent. Von einer hohen Kontrolldichte kann dabei kaum gesprochen werden, ein Grund für die großen Lücken sind die finanziellen Mittel, die die NADA vom DFB für die Kontrollen erhält. Damit lassen sich die Kosten laut NADA-Mitteilungen zwar decken, mehr als der aktuelle Standard lässt sich aber auf dieser Grundlage nicht erreichen.

Den Willen, mehr im Kampf gegen Doping im deutschen Fußball zu tun, hat die Anti-Doping-Agentur jedoch bereits zum Jahresbeginn bewiesen. Um dopingrelevante Sachverhalte in Zukunft besser ermitteln zu können, wurde eine Zusammenarbeit mit der Sportradar AG vereinbart, die sich auf Manipulationen und Korruption im organisierten Sport spezialisiert hat.


Fragwürdiger Umgang mit Datenschutz

Ein weiterer Kritikpunkt am aktuellen Doping-Kontrollsystem ist die Art und Weise, wie innerhalb dieses Systems Informationen behandelt werden. Eine Sonderregelung zwischen DFB und NADA macht es möglich, dass bei einem positiven Test zuerst der Verband und der Verein informiert werden – der betroffene Spieler ist erst einmal außen vor, obwohl es sich um sensible persönliche Daten handelt.

Gleichzeitig bedeutet dieses Vorgehen aber eben auch, dass DFB und die Vereine in Fällen nachgewiesenen Dopings zunächst die alleinige Handhabe behalten, wie mit diesen Informationen weiter vorgegangen werden soll. Unter Umständen kann die Weitergabe an die Öffentlichkeit frühzeitig verhindert werden, sollte das der Wunsch von Verband und Vereinen sein. Bedenken in dieser Richtung kommen von Fritz Sörgel, Doping-Experte und Leiter des Instituts für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung in Nürnberg.

Wie groß das Thema Doping im Fußball wirklich ist

Kritik äußerte Sörgel nicht nur im Zusammenhang mit den Aussagen von Müller-Wohlfahrt zur Abwesenheit von Doping im Fußball, sondern auch am Rande einer Studie, die 2011 von Tim Meyer, dem Teamarzt der Nationalmannschaft veröffentlicht wurde. Darin finden sich laut dem gemeinnützigen Recherchezentrum correctiv.org Hinweise auf mehrere Fälle von Blutdoping in der Fußball-Bundesliga.

Der DFB bestreitet Blutdoping jedoch, trotz vorliegender Blutwerte, die in anderen Sportarten tiefergehende Untersuchungen nach sich zögen. Engmaschigere Kontrollen und andere Untersuchungsansätze scheinen demnach nur folgerichtig, zumal der ehemalige Deutsch-Marokkanische Spieler Lotfi El Bousidi im Rahmen seiner Diplomarbeit eine Umfrage unter 150 Profifußballern durchführte, die ein alarmierendes Ergebnis brachte: Zwischen 14 und 29 Prozent der Befragten gaben demnach an, leistungssteigernde Mittel einzunehmen, selbst wenn diese verboten sind.




Lotfi El Bousidi und seine Studie „Doping im Fußball“ Quelle: youtube.com




Daraus ein flächendeckendes Dopingproblem innerhalb des deutschen Fußballs zu konstruieren, wäre sicherlich nicht die richtige Schlussfolgerung. Umgekehrt sind es Untersuchungen wie diese, die Behauptungen, im professionellen Fußball gäbe es überhaupt kein Doping, wenig glaubwürdig machen. Insgesamt kann es daher nur wünschenswert sein, dass die Problematik in Zukunft konsequent und transparent behandelt wird, bevor auch der Fußball an Glaubwürdigkeit verliert.

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Er ist ein guter Junge, aber jetzt muss ich natürlich bis zum Samstag wieder an seinen Sprunggelenken hängen und ihn davor bewahren, dass er die Bodenhaftung verliert.

— Thomas Müller über Joshua Kimmich, der in der Champions League gegen FK Rostov zwei Treffer erzielte