Verbessert die WM die Lage ausländischer Arbeiter in Katar?

von Marcel Breuer | dpa11:19 Uhr | 25.02.2020
Katar ist als Gastgeber der Fußball-WM 2022 umstritten. Foto: Nikku/XinHua/dpa
In 1000 Tagen beginnt die Fußball-WM in Katar. Nicht zuletzt wegen der Lage der ausländischen Arbeiter in dem Emirat am Golf ist das Turnier umstritten.

Mehr als zwei Millionen Ausländer verdienen ihr Geld in Katar, einem der weltweit reichsten Länder. Die Arbeiter, etwa auf Baustellen, kommen aus armen Ländern in Asien oder Afrika und leben häufig über Jahre von ihren Familien getrennt.

BEHAUPTUNG: Menschenrechtsorganisationen kritisieren immer wieder die Ausbeutung ausländischer Arbeiter in Katar, vor allem auf Baustellen. Die WM-Organisatoren wiederum verweisen darauf, dass sich die Lage für die Arbeiter durch das Turnier deutlich verbessert habe.

FAKTEN: Katar hat in den vergangenen Jahren mehrere Gesetze und Regelungen zum Arbeitsrecht verabschiedet. Sie betreffen vor allem das so genannte Kafala-System, das Ausländer an einen einheimischen Sponsor bindet und nach Ansicht von Kritikern Missbrauch Tür und Tor öffnet. Es ist in den Ländern am Golf gang und gäbe.

AUSREISEVISA: Seit 2018 braucht die Mehrheit der ausländischen Arbeiter kein Ausreisevisum mehr, wenn sie das Land verlassen wollen. In diesem Januar dehnte die Regierung dieses Gesetz auf weitere Gruppen von Arbeitern aus. Die UN-Arbeitsorganisation ILO, die in Katar ein Büro unterhält, sprach von einem «wichtigen Meilenstein».

Einfach ausreisen können viele ausländische Arbeiter dennoch nicht. Arbeiter in privaten Haushalten müssen ihrem Arbeitgeber mindestens 72 Stunden vorher Bescheid geben. Von Regierungsseite heißt es, so solle verhindert werden, dass Ausländer einen Haushalt bestehlen und verschwinden. Menschenrechtler warnen jedoch, ausländischen Arbeiter könnten im Konfliktfall gegen ihren Willen festgehalten werden.



FREIER ARBEITSPLATZWECHSEL: Im vergangenen Oktober beschloss die Regierung, dass ausländische Arbeiter anders als früher ohne Segen ihres bisherigen Arbeitgebers den Job wechseln können. Das Gesetz soll in den nächsten Monaten in Kraft treten. Sollte das geschehen, sieht die ILO ein Ende des stark kritisierten Kafala-Systems.

LÖHNE: Zudem verabschiedete die Regierung laut ILO auch eine neue Mindestlohnregelung, die für alle Arbeiter gleichermaßen gelten soll. Es sei die erster dieser Art in der Region. Die Höhe des Mindestlohns soll der UN-Organisation zufolge «sehr bald» verkündet werden.

Schon 2015 hatte Katar ein System eingeführt, das die pünktliche Auszahlung der Löhne sicherstellen soll («Wage Protection System»). Diese müssen jetzt auf ein Bankkonto überweisen werden. Die ILO kam dennoch zu dem Schluss, dass Missbrauch weiter weit verbreitet ist. Auch Menschenrechtsorganisationen berichten von Fällen, in denen Löhne gar nicht oder erst mit Monaten Verspätung ausgezahlt werden.

EINZIEHEN VON REISEPÄSSEN: Es ist verboten, dass Arbeitgeber die Pässe ihrer ausländischen Arbeiter einkassieren, um so eine Ausreise zu verhindern. Trotzdem berichten Ausländer, dass diese Praxis weiter vorkomme und die Betroffenen wenig Chancen hätten, sich zu wehren.

ARBEITSBEDINGUNGEN: In den Sommermonaten sind Temperaturen um die 40 Grad und darüber in Katar Normalität. Arbeiten im Freien ist deshalb zwischen dem 15. Juni und dem 31. August von 11.30 bis 15.00 Uhr verboten. Kritiker klagen jedoch, diese Regelung reiche nicht aus, um die Arbeiter vor den damit verbundenen Gefahren zu schützen. Auch eine Fachstudie aus dem vergangenen Jahr zum Tod von mehr als 1300 nepalesischen Arbeitern zwischen 2009 und 2017 sieht einen Zusammenhang zwischen starkem Hitzestress und vielen der Todesfälle.


Das WM-Organisationskomitee hat Maßnahmen ergriffen, um den Hitzestress zu reduzieren. Dazu gehören ausreichende Versorgung mit Wasser und spezielle Kleidung für die Arbeiter. Generell sind die Bedingungen auf den WM-Baustellen besser als anderenorts in Katar.

Nicht nur Hitze ist ein Problem. Arbeiter in Katar klagen auch über überlange Arbeitszeiten und fehlenden Urlaub. Menschenrechtler berichten von Fällen, in denen neu angekommene Arbeiter mit Drohungen gezwungen wurden, niedrigere Löhne zu akzeptieren.

BEWERTUNG: Katar hat in den vergangenen Jahren mehrere Regelungen zu Gunsten ausländischer Arbeiter verändert. Gerade im Vergleich zu anderen Ländern der Region hat sich deren Lage dort rechtlich verbessert. Vieles davon dürfte in Zusammenhang mit der WM stehen, weil durch das Turnier die internationale Aufmerksamkeit für das Land viel größer geworden ist. Allerdings ist die Umsetzung in der Praxis häufig noch mangelhaft, Beschwerden werden oft nicht verfolgt. Nicht zuletzt Hitzestress für Arbeiter bleibt ein Problem. Einige angekündigte Reformen sind noch nicht in Kraft getreten.

(dpa)

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