Zu wenig für die Königsklasse

War noch der agilste Schalker und hatte das 1:2 auf dem Fuß:


Heiko Westermann

Mit Ausnahme einer 15-minütigen Drangphase war Schalke meilenweit von einem Torerfolg entfernt. Da die Defensivabteilung zudem haarsträubende Fehler fabrizierte, mussten die Knappen eine schallende 0:4-Ohrfeige hinnehmen und sich mit der UEFA-Cup-Teilnahme begnügen. Die ballsicheren Madrilenen dagegen zogen erstmals seit elf Jahren in die Champions League ein.

S04-Trainer Rutten konnte überraschend auf die Dienste von Mittelfeldmann Jermaine Jones zurückgreifen, der zum Ligaauftakt einen Syndesmosebandriss erlitten hatte und eigentlich erst in vier Wochen wieder einsatzfähig sein sollte. Der ehemalige Frankfurter und seine Teamkollegen waren gleich auf Betriebstemperatur und ließen Atletico nicht zur Entfaltung kommen. Schon nach einer Viertelstunde schlichen sich jedoch die ersten Unachtsamkeiten bei den Gelsenkirchenern ein und die Platzherren näherten sich Keeper Schober: Rodríguez’ Zuspiel konnte Marcelo Bordon aber gerade noch vor dem einschusswilligen Maniche aus der Gefahrenzone befördern (17.). 120 Sekunden darauf musste der Schalker Kapitän erneut in höchster Not klären, indem er einen Forlán-Schuss von der Linie köpfte. Damit war die Gefahr allerdings noch nicht gebannt, denn die Kugel landete bei Perea, der von der rechten Seite zurück ins Zentrum flankte; dort stand der argentinische Olympiasieger Sergio Aguero trotz der Strafraum-Anwesenheit von fünf Verteidigern völlig frei und egalisierte per Kopf das Hinspielresultat. Die Madrilenen hatten ihr erstes Ziel erreicht und warteten auf eine Reaktion der Königsblauen, bei denen sich jedoch nicht nur in der Deckungsarbeit erhebliche Mängel auftaten, sondern auch im Offensivspiel. Das einzige, was die Gäste nach dem ersten Durchgang vorweisen konnten, war eine Halbchance durch Altintop, dessen Distanzversuch Atletico-Torwart Leonardo Franco ohne Schwierigkeiten parierte (36.). Wesentlich zielorientierter war bei seinen wenigen Vorstößen der neunmalige spanische Meister, der in der 34. Minute beinahe das 2:0 erzielt hätte – Simaos Flachschuss endete aber am Pfosten.

Die Hoffnung der mitgereisten S04-Anhänger, ihre Lieblinge würden hochkonzentriert aus der Kabine kommen, wurde bitter enttäuscht. Kurz nachdem der unbehelligte Garcia das Spielgerät auf Kopfballablage von Heitinga ans Außennetz gesetzt hatte (47.), wurde das Flehen der Gelsenkirchener um einen zweiten Gegentreffer erhört: Diego Forlán kam 20 Meter vor dem Kasten in Ballbesitz, ließ den hüftsteifen Bordon hinter sich und vollstreckte durch die Hosenträger von Höwedes ins rechte Eck (51.). Die Knappen brauchten nun ein Erfolgserlebnis, um aus dem Duell als Gesamtsieger hervorzugehen. Dass sich die Gastgeber im weiteren Verlauf nur noch auf die Verteidigung ihres Vorsprungs beschränkten, machte die Aufgabe nicht leichter. Dennoch nahmen die Schalker nach einer Stunde endlich Fahrt auf und kamen in der 63. Minute durch Ernst und Kuranyi, die eine Hereingabe Heiko Westermanns um Haaresbreite verpassten, zu einer Riesengelegenheit. Sie blieben am Ball und verzeichneten wenig später eine weitere dicke Möglichkeit durch den willigen Passgeber, dessen Schuss aus Nahdistanz allerdings von Franco entschärft wurde (70.). Ihren dritten und letzten Versuch hatte die Rutten-Truppe in der 80. Minute, als Altintop, anstatt den mitgelaufenen Asamoah in Position zu bringen, selbst draufhielt und dabei ebenfalls an Franco scheiterte. Fast im Gegenzug fiel dann die Entscheidung: Weil die S04-Deckung, ähnlich wie beim 1:0, nach einem abgewehrten Schuss abschaltete, konnte Aguero von der Grundlinie den eingewechselten Luis Garcia bedienen, der aus vier Metern locker einnetzte (82.). Und es kam noch schlimmer für die Königsblauen, denn kurz vor dem Ende erhöhte Rodríguez per Elfmeter auf 4:0 (87.). Vorausgegangen war ein Foul von Christian Pander am durchgebrochenen Simao, das dem Linksverteidiger den Roten Karton und damit eine Sperre für den ungeliebten UEFA-Pokal einbrachte.

Christian Brackhagen