Frauen-WM 2011 - Viertelfinale - Sa., 09.07.2011 - 20:45 Uhr
0:1
HZ - 0 : 0FT - 0 : 0Verl. - 0 : 1

Aus der Traum

Popp und Laudehr (liegend) nach dem Rauswurf (Foto: Imago)

Popp und Laudehr (liegend) nach dem Rauswurf (Foto: Imago)

Popp und Laudehr (liegend) nach dem Rauswurf (Foto: Imago)

Die Hoffnungen auf einen dritten Titel in Folge und vor allem einen Erfolg im eigenen Land hatten sich für die deutsche Frauennationalmannschaft überraschend bereits im Viertelfinale zerschlagen. Gegen Japan verlor der Titelverteidiger nach Verlängerung mit 0:1 und war damit auf dem Boden der Tatsache angekommen: Die Konkurrenz im internationalen Frauenfußball hatte aufgeholt.

Das Spiel gegen in der Gruppenphase durchwachsen spielende Japanerinnen begann denkbar schlecht für die Elf von Silvia Neid: Nach einem Eckball stieg Kim Kulig zum Kopfball hoch und landete dabei unglücklich, sodass sie bereits nach acht Minuten mit Verdacht auf einen Kreuzbandriss ausgewechselt werden musste. Für Deutschland ein schwerer Schlag, denn es waren in den vergangenen Spielen vor allem Kulig und ihr Pendant Simone Laudehr gewesen, die auf der Sechserposition das deutsche Spiel in Gang gebracht hatten. Dennoch übernahmen Kuligs Kolleginnen die Kontrolle über das Spiel und ließen den Gegner aus Japan in der Anfangsphase offensiv kaum zur Entfaltung kommen. Doch auch das deutsche Angriffsspiel, sonst so zielstrebig, wies Lücken auf, der finale Pass aus der Zentrale kam nicht und Flanken sowie Standards fanden keine Abnehmer. Japan stand hinten sicher und kompakt und wagte sich nach einer knappen halben Stunde auch Richtung deutsches Tor, der Schuss von Yuki Nagasato verfehlte sein Ziel jedoch (30.). Im Gegenzug musste Torhüterin Kaihori schon einiges aufbieten, um gegen Celia Okoyino da Mbabi zu klären, die einem Schuss von Melanie Behringer nachsetzte (32.). Bis zum Ende der ersten Halbzeit behielt die deutsche Elf ihr Übergewicht inne, konnte allerdings kein Kapital daraus schlagen. Durch den fehlenden Führungstreffer blieb Japan im Spiel und war vor allem durch Konter immer gefährlich.

Zu Beginn der zweiten Halbzeit kam bei Japan Karina Maruyama für Bundesligaspielerin Yuki Nagasato – ein Wechsel, für den sich Trainer Norio Sasaki wohl später noch selbst auf die Schulter klopfen würde. Deutschland begann mit einer Kopfballchance durch Garefrekes, doch die Spielführerin setzte den Ball über das Tor. Die Titelverteidigerinnen waren wieder die spielbestimmende Mannschaft und setzten Japan stark unter Druck, doch der erlösende Treffer wollte nicht fallen. Bezeichnend eine Szene aus der bereits 75. Minute, als sich Garefrekes schön durch den Strafraum spielte und dann den Ball zur Verwunderung aller Richtung Mittellinie zurücklegte, anstatt vor dem Tor quer zu legen und so für Gefahr zu sorgen. Den anschließenden Schuss setzte Melanie Behringer aus der Distanz über das Tor. Mit einer drohenden Verlängerung vor Augen spielte nun auch Japan mal wieder nach vorne, die Offensivbemühungen der Asiatinnen waren jedoch genauso harmlos wie die der Deutschen. Immerhin hatte sich zu diesem Zeitpunkt vor allem aufgrund des Ergebnisses ein munteres Spiel entwickelt, in dem beide Mannschaften sich Chancen erarbeiteten und auf Sieg spielten. Dennoch ging es nach spannenden 90 Minuten in die Verlängerung.

Der offene Schlagabtausch der zweiten Halbzeit setzte sich fort; Japan spielte auf einer Höhe mit Deutschland, die erste nennenswerte Chance der Verlängerung hatte jedoch der Gastgeber: Nach einem Fehler in der japanischen Hintermannschaft schloss Inka Grings schnell ab, doch sie verfehlte das Tor zu deutlich. Kurz nach dieser Aktion wurde Grings ausgewechselt, für sie kam Nachwuchsstar Alexandra Popp, die in der Offensive noch einmal für frischen Wind sorgen sollte. Mit Beginn der zweiten Hälfte der Verlängerung wurde allerdings die deutsche Fußballwelt auf den Kopf gestellt: Nach feinem Pass von Sawa setzte sich Maruyama gegen Saskia Bartusiak durch und schoss den Ball im Strafraum aus halbrechter Position an Nadine Angerer vorbei ins lange Eck (108.). Hierbei sah die sonst so starke Torhüterin nicht gut aus, der Schuss schien durchaus haltbar. Was folgte, waren wütende Angriffe der deutschen Mannschaft, die aber wenig durchdacht und vor allem überhastet waren. Torhüterin Kaihori wuchs in der Schlussphase über sich hinaus und zog sämtliche Flanken und Abschlüsse der Deutschen praktisch an; weder Okoyino da Mbabis (118.), noch Bianca Schmidts (119.) Offensivaktionen trugen Früchte. Somit war nach 120 Minuten die Überraschung perfekt und Japan setzte sich gegen den amtierenden Weltmeister durch. Tränenreich verabschiedete sich Deutschland überraschend früh aus dem Turnier und bis zum nächsten hatte Silvia Neid einiges an Aufbauarbeit zu leisten – mental, aber vor allem auch spielerisch, denn gegen eine gut stehende Abwehr Japans waren ihre Spielerinnen nie in der Lage, sich entscheidend durchzusetzen.

Lisa Ramdor

Leichte Bälle zu halten ist einfach. Schwierige Bälle zu halten ist immer schwierig.

— Otto Rehhagel