Auf dem Präsentierteller

von Günther Jakobsen09:52 Uhr | 28.07.2006
Bevor es endlich ernsthaft zur Sache geht und die Liga in die 44. Runde startet, gilt es zunächst noch eine lästige Übung zu absolvieren – den Ligapokal. Vom 29. Juli bis zum 5. August wird bereits zum zehnten Mal der Sieger ermittelt. Der Wettbewerb so kurz vor Saisonstart war in seiner Entstehungsgeschichte alles andere als beliebt, doch nun stößt er unverhofft auf Gegenliebe.

Natürlich haben die Bayern auch im Ligapokal die Nase vorn, von neun Titeln holten sie alleine fünf. 1997 stemmte Giovane Elber die erste Siegerschüssel in die Luft, die allgemeine Begeisterung hielt sich aber merklich in Grenzen. Sehr langsam nur gewöhnten sich Spieler, Fans und Funktionäre an einen Wettbewerb, von dem man nicht so richtig wusste, was er denn eigentlich sein soll: Der Höhepunkt der Vorbereitung, ein erstes Kräftemessen, der erste Fingerzeig, die Chance auf Betonung der eigenen Ambitionen? Oder ist der Ligapokal eine nervige und vor allem verfrühte Zwangsveranstaltung, der Rhythmusbrecher im Trainingsplan und verschwendete Zeit? Spielt Geld eine Rolle?

Dieses Jahr werden insgesamt 5,2 Millionen Euro an die Teilnehmer (Bayern, Bremen, Hamburg, Hertha, Leverkusen und Schalke) ausgeschüttet, an den Sieger gehen etwa 2 Millionen. Es ist das Resultat einer konsequenten Aufstockung der Preisgelder, die plötzlich Begehrlichkeiten weckt: „Der Wettbewerb ist wirtschaftlich hoch interessant. Da muss man einige Freundschaftsspiele bestreiten, um diese Einnahmen zu erreichen,“ sagte Hertha-Manager Dieter Hoeneß. Sein Bruder aus München sieht die Sache ähnlich: „Es gibt ein paar Euro zu verdienen. Da kann schon ein schöner Betrag zusammenkommen. Den wollen wir mitnehmen.“ Um die Vereine nicht wieder unter den stereotypen Verdacht einer rohen Kommerzialisierung und Abzocke zu stellen, lohnt es sich auch andere Stimmen einzufangen. Schalkes Trainer Mirko Slomka meint zum Beispiel, dass der Ligapokal „wunderbar von der Vorbereitungszeit auf den Start der Bundesliga“ überleitet und „einem Team ein gutes Gefühl gibt,“ wenn der Erfolg sich wie im Vorjahr einstellt. Schalke ist letztes Jahr mit einer guten Serie in die Hinrunde gestartet – zehn Spiele ohne Niederlage.

Nach den Bayern kann die Hertha auf die meisten Siege im Frühpokal verweisen – zwei an der Zahl. Und wie gefährlich ein solch frühes Erfolgserlebnis sein kann, dass haben die Berliner anschließend an der eigenen Haut zu spüren bekommen. Der Triumph, glaubte man, sei der Beginn einer Erfolgsgeschichte, ein mit Titeln gepflasterter Weg an die Spitze Europas. Der Ausgang ist bekannt. Auch der HSV konnte nach dem Gewinn des Ligapokals 2003 keine Bäume ausreißen. Deshalb ist der erste Pflichttermin der neuen Saison kein ausgemachtes Sprungbrett und hat schon manche Träume zerplatzen lassen.

Trotzdem hat er sich im Ligakalender bewährt und stößt allmählich auf Gegenliebe. Die Fans sind heiß auf das neue Gesicht der Mannschaften und fiebern dem Auftritt der Neuzugänge entgegen. Die „Landflucht“ unter dem Motto „München statt Meppen“ hat das Interesse zudem deutlich gesteigert. Wo früher kaum Publikum ins Stadion strömte, finden die Spiele mittlerweile in ausverkauften Stadien statt. Durchschnittlich kamen voriges Jahr mehr zahlende Zuschauer als bei einem normalen Bundesligaspiel. Ein schöner Präsentierteller mit Urlaubsgeld ist das, und ein bisschen mehr vielleicht – der Ästhetik des Siegerpokals entsprechend.

Paul Linke/11Freunde-Redaktion


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