WM 2010 - Qualifikation - Gruppenphase - Mi., 10.09.2008 - 20:30 Uhr
1:2
HZ - 1 : 1

Hitzfelds Leiden im Letzigrund

Sein Tor war zu wenig: Blaise N´Kufo

Sein Tor war zu wenig: Blaise N´Kufo

Sein Tor war zu wenig: Blaise N´Kufo

Die Schweiz verliert ihr WM-Qualifikationsheimspiel gegen Luxemburg mit 1:2. Das Team von Ottmar Hitzfeld fand kein Rezept gegen die gut organisierte und stark zurückgezogene Defensive des zweit kleinsten EU-Staates. Dem Team von Guy Hellers reichten zwei lehrbuchartig vorgetragene Standardsituationen, um den kraft- und einfallslosen Eidgenossen die drei Punkte wegzuschnappen. Es war nach dem letztjährigen Erfolg gegen Weißrussland der zweite Qualifikationssieg des Großherzogtums seit 13 Jahren.

Im neuen Zürcher Letzigrundstadion, wo vor kurzem noch die müden Olympiahelden von Peking mit Bolt und Co. artig ihr Programm noch einmal abspulten, traf die Schweiz auf das Team aus einem Land, das etwa halb so viele Einwohner zählt wie die Agglomeration von Zürich. Außer Jeff Strasser von Metz und Mario Mutsch vom FC Aarau kennt hierzulande keiner einen Spieler aus der bis auf diese beiden aus Amateuren bestehenden Mannschaft von Hellers. 2001 konnte man sich zu Hause mit 5:0 und auswärts mit 3:0 für höhere Aufgaben warm schießen. Nun, unter dem als „Messias“ gefeierten Ottmar Hitzfeld hörte man im Stadion ausschließlich Spekulationen über die Höhe des Sieges. Alle fünf Minuten ein Tor: gibt das ein 18:0 oder doch nur ein 17:0? Mahner, die ahnten, dass es ein schwieriges Spiel werden würde, hatten einen schweren Stand.

Es kam völlig anders. Frei, der nach seiner Verletzung erst wieder mit der Reserve des BVB Einsätze hatte, war kaum sichtbar. Barnetta leistete sich Fehlpässe zu Hauf und Magnin brachte kaum einen Fuß vor den anderen. Auch andere Schweizer waren völlig von der Rolle, weshalb gegen die massierte Abwehr Luxemburgs an ein Durchkommen nicht zu denken war. „In der Mitte, da sind sie vierbeinig“ hat schon Karl-Heinz Rumenigge über diese Defensive gesagt, und die Hitzfeld-Elf hat am eigenen Leib erfahren, weshalb. Wenig logisch versuchte man dennoch sein Glück mehrheitlich durch die Mitte. Wobei die Aufgabe für die Schweiz auch auf den Seiten nicht einfach war.

Luxemburg machte das einzig Richtige: gut verteidigen und auf Chancen in Standardsituationen warten. Diese kamen auch: genau zwei an der Zahl. Den ersten versenkte Jeff Strasser, der einzige Luxemburger, von dem man auch hier weiß, dass er fähig ist, Tore zu schießen. Den zweiten Alphonse Leweck nach einer originellen Freistoßvariante. Der Jubel der Kicker aus Luxemburg kannte keine Grenzen, und man mochte es ihnen gönnen. Der Sieg war verdient. Die Eidgenossen hätten wohl noch Stunden weiter anrennen können, es war nichts zu machen. Eine kurze Weile lang ließ man sich sogar zurück fallen und verlegte sich auf Konterfußball. Aber auch diese verkehrte Welt führte nicht zum Erfolg. Nach dem Ausgleich durch N´Kufo, der einen schön in die Fünfmeterzone herein gezogenen Flankenball Yakins wie schon vor vier Tagen ins Tor köpfte, kam kurz Hoffnung auf. Aber zu viele Spieler waren nicht auf der Höhe, und die eng stehende luxemburgische Nationalelf war mit Tempofußball nicht müde zu kriegen. Hitzfeld warf mit Lustrinelli, Abdi und Vonlanthen alles aufs Feld, was Offensivpotential hatte, aber je länger das Spiel dauerte, umso nervöser wurden seine Spieler und umso mehr häuften sich die Fehler. In der Nachspielzeit haute auch Benaglio einen Abstoß ins Seitenaus. Eine bezeichnende Szene für das ganze Spiel.

Die Niederlage gegen Luxemburg war nicht die Schande vom Letzigrund. Ja vielleicht war sie sogar notwendig, um die völlig überhitzte Hitzfeldeuphorie wieder auf ein realistischeres Niveau herunter zu kühlen. Jakob Kuhn war bisweilen zwar etwas kauzig, aber er war der erfolgreichste Trainer einer Schweizer Nationalmannschaft überhaupt. Ottmar Hitzfeld ist unbestritten der kompetenteste Fußballlehrer, der je ein Schweizer Kreuz auf seinem Hemd trug. Aber er ist kein Messias. Hitzfeld findet in der Schweiz weder das Material, noch die professionellen Strukturen eines FC Bayern vor. Verletzungsausfälle und Formschwächen können nicht mit großen Namen auf der Bank wett gemacht werden. Und er hat wenig Zeit, um eine Truppe nach seinen Vorstellungen zu formen. Hitzfeld findet hier vor allem eines: Arbeit, sehr viel Arbeit. Und er ist der einzig richtige Mann um diese zu leisten. Die WM-Qualifikation für Südafrika wird nun sehr schwierig. Aber vielleicht braucht die Schweiz eine Aufbauphase ohne Endrundenteilnahme, um wieder Tritt zu fassen. Es ist nicht leicht zu verdauen, wenn einem ein Team wie Luxemburg die Limiten aufzeigt. Aber vielleicht ist es einfacher daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen.

Andreas Beck, Bern

Unser Jens is n Speziellen.

— Rudi Assauer, Manager Schalke 04, über Jens Lehmann