WM 2014 - Achtelfinale - Mo., 30.06.2014 - 22:00 Uhr
2:1
HZ - 0 : 0FT - 0 : 0Verl. - 2 : 1

In die Verlängerung gezwungen

Manuel, der Libero: Manuel Neuer

Manuel, der Libero: Manuel Neuer

Manuel, der Libero: Manuel Neuer

Auch wenn die Überlegenheit der Deutschen sich - über die gesamte Spieldauer betrachtet - eindeutig liest (28:10 Torschüsse, 67% Ballbesitz), stand die Partie gegen Algerien auf des Messers Schneide. Die Nordafrikaner waren taktisch und technisch in der Lage, dem DFB-Team die Schweißperlen auf die Stirn zu treiben.

Der Auftritt der deutschen Elf gegen Algerien wurde kontrovers debattiert; einig war man sich jedoch, wie auch die Spieler selbstkritisch anmerkten, dass man sich gegen Viertelfinalgegner Frankreich keinesfalls eine erste Halbzeit derselben Güteklasse wie gegen die Nordafrikaner leisten konnte. Gegen die defensiv ungemein kompakt stehende, und flexibel agierende Mannschaft Vahid Halilhodzics fand die DFB-Elf lange Zeit überhaupt keinen Ansatzpunkt, um gefährliche Vorstöße in Richtung gegnerischem Strafraum zu starten. Das fruchtlose Ballgeschiebe im Mittelfeld barg zudem die Gefahr, bei Ballverlust ausgekontert zu werden. Und genau dies passierte öfter, als erhofft. Die hoch stehenden Außen (Mustafi und Höwedes) sowie die Innenverteidiger Mertesacker und Boateng hatten mehrfach erhebliche Probleme, den Antritten von Slimani, Feghouli oder Soudani zu folgen - folgerichtig war Algerien bis zum Pausenpfiff nicht nur die bessere, sondern auch die torgefährlichere Mannschaft. Neuers Eingreifen außerhalb des 16ers war dringend von Nöten, um einen drohenden Rückstand abzuwenden (9./28.). Glück hatte Deutschland in der 17. Minute, als Slimanis Kopfballtreffer wegen knapper Abseitsstellung nicht gewertet wurde und der halblinks durchgebrochene Ghoulam nur eine Minute später den Kasten aus kurzer Distanz verfehlte. Der unbefriedigende Spielverlauf veranlasste Joachim Löw dazu, an der Seitenlinie Auswechselspieler zu aktivieren, getauscht wurde aber erst nach der Halbzeit, da die Deutschen in den letzten 20 Minuten doch die ein oder andere Situation zu Ende spielen konnten. Der erste über mehrere Stationen flüssig durchgezogene Angriff mündete in einem Kopfballversuch Müllers (35., links vorbei), die beste Möglichkeit vergab jedoch Götze: Algeriens Torwart M´Bohli konnte einen Distanzschuss von Kroos nicht festhalten, den Abpraller brachte Götze nicht am Keeper vorbei (41.).

Die Einwechslung Schürrles (für Götze) wirkte sich sofort positiv aus. Dank seiner Schnelligkeit hatte Deutschland ein Mittel gefunden, Unruhe in die algerischen Abwehrreihen zu bringen. Gute Torchancen, jeweils von M´Bohli zunichte gemacht (49., Kopfball Mustafi/55., Schuss Lahm), dokumentierten zudem früh, dass Löws Mannen nun entschlossener zu Werke gingen. Die Gefahr, ausgekontert zu werden, stand trotzdem ständig im Raum. Mit anderen Worten: Neuer musste seine Libero-Qualitäten weiterhin unter Beweis stellen, unter anderem mit einer Kopfballeinlage vor Slimani (71.). Grundsätzlich hatte Deutschland - seit der 71. Minute mit Khedira - nun in dieser an Spannung ständig zulegenden Begegnung Gelegenheiten genug, um die Feldüberlegenheit auch ergebnistechnisch umzusetzen. Die Chancenverwertung jedoch blieb ausbaufähig. In der 80. Minute waren es Müller (scheiterte mit Kopfball an M´Bohli) und Schürrle (traf im Nachschuss nur Belkalem), die eine befreiende Führung verpassten und in der 83. Minute war es erneut Müller, der nach guter Ballmitnahme zu unpräzise abschloss. Auch Schweinsteigers Kopfball war letztendlich kein Problem für M´Bohli (90.).
Die Verlängerung war gerade mal zwei Minuten alt, da überschritt das Leder zum ersten Mal regelkonform die Torlinie: Müller hatte sich links am algerischen Strafraum durchgesetzt und ins Zentrum geflankt, wo Schürrle per Absatzkick das 1:0 markierte. Özil blieb in der 96. Minute an Halliche hängen - hätte sonst freie Bahn zum Abschluss gehabt. Das DFB-Team behielt seine Marschrichtung bei und versuchte nachzulegen, musste aber ebenso wie der Gegner dem intensiven Spiel Tribut zollen (Krämpfe u.a. bei Schweinsteiger). In den Schlussminuten spitzten sich die dramatischen Momente vor beiden Toren nochmals zu. Eine starke Abwehraktion Boatengs gegen Slimani verhinderte zunächst einen möglichen Ausgleich (118.), dann erhöhte Özil auf der Gegenseite auf 2:0 (119.). M´Bohli hatte einen Schuss Schürrles nicht entscheidend aus der Gefahrenzone befördern können - Özil nutzte die Gelegenheit. In der Nachspielzeit verkürzte Algerien durch Djabou tatsächlich noch auf 1:2, da die Deutschen den Sieg womöglich bereits abgehakt hatten. Zu mehr reichte es für die gut spielenden und kämpfenden Algerier allerdings nicht.

André Schulin

Grau is alle Theorie, maßgebend is auffen Platz.

— Alfred Preißler