Erstes Geister-Endspiel: Wolfsburgerinnen auf Rekordkurs

von Marcel Breuer | dpa13:00 Uhr | 03.07.2020
Die Wolfsburgerinnen wollen zum sechsten Mal den DFB-Pokal gewinnen. Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa
Hungriger Seriensieger, mutiger Außenseiter - vor dem Pokalfinale im Frauenfußball sind die Rollen klar verteilt. Meister und Titelverteidiger VfL Wolfsburg geht als haushoher Favorit in die Partie am Samstag (16.45 Uhr/ARD) in Köln gegen den Bundesliga-Fünften SGS Essen.

Doch die Demut der Essenerinnen vor dem scheinbar übermächtigen Gegner hält sich Grenzen. Die künftige Wolfsburgerin Lena Oberdorf gab sich kämpferisch: «Ich stehe noch in Essen unter Vertrag und werde alles dafür tun, dass wir gewinnen. Deshalb müssen sich die Wolfsburgerinnen auch damit abfinden, dass wir den Pokal mit nach Essen nehmen.»

Es könnte den Frauen aus dem Essener Vorort Schönebeck zum Vorteil gereichen, dass sie nichts zu verlieren haben. Schließlich erscheint die Dominanz der Wolfsburgerinnen im deutschen Frauen-Fußball derzeit erdrückend. Gemäß ihrem Slogan «Immer hungrig» ging in dieser Saison wettbewerbsübergreifend bisher keine einzige Partie verloren. Die Bundesliga-Spielzeit endete am vergangenen Wochenende mit 20 Siegen, zwei Remis und einer imposanten Tordifferenz von 93:8. Zudem ist der VfL im Pokal seit November 2013 ungeschlagen und gewann die Trophäe zuletzt fünf Mal in Serie. Mit einem weiteren Triumph wäre die Bestmarke des einstigen Seriensiegers 1. FFC Frankfurt (1999 bis 2003) übertroffen.

Trainer Stephan Lerch, der seinem Team unlängst «eine bärenstarke Saison» attestierte, hat deshalb allen Grund zur Zuversicht. Einen Spannungsabfall bei seinen Spielerinnen befürchtet er trotz der jüngsten Erfolge nicht: «Bei uns gibt es eine extrem hohe Eigenmotivation innerhalb des Teams. Da muss ich gar nicht viel sagen», sagte er mit Verweis auf zuletzt vier Meisterschaften. «Es beeindruckt auch mich, dass sich die Spielerinnen immer wieder aufs Neue für unsere Ziele begeistern können.»

An Motivation dürfte es jedoch auch den Essenerinnen nicht mangeln. Das erste Pokalfinale für den Club seit 2014 soll am Ende der langen Corona-Saison noch einmal letzte Kräfte mobilisieren. «Wenn man in ein Finale einzieht, möchte man gewinnen. Wir haben schließlich auch viel investiert, um nach Köln zu kommen», sagte SGS-Coach Markus Högner dem «Kicker» ungeachtet der beiden deutlichen Niederlagen (1:5, 0:3) gegen Wolfsburg in der Bundesliga.



Für Essen könnte es die vorerst letzte Gelegenheit sein, sich auf großer Bühne zu zeigen. Mit Lea Schüller, Marina Hegering (beide Bayern München), Turid Knaak (unbekannt) und Lena Oberdorf (VfL Wolfsburg) verlassen gleich vier Nationalspielerinnen den Club. Abwehrspielerin Hegering hält das für einen Vorteil: «Es ist das letzte Spiel für uns als Team in dieser Konstellation, das setzt Energien frei», sagte sie der «Westdeutschen Allgemeinen Zeitung».

Im Mittelpunkt des Geschehens dürfte die erst 18 Jahre alte Oberdorf stehen. Dem Vernehmen nach zahlte Wolfsburg für die Mittelfeldspielerin eine Ablösesumme im hohen fünfstelligen Bereich - ein für den deutschen Frauenfußball eher ungewöhnlicher Vorgang.

Dass der Showdown gegen Wolfsburg und ihr Abschied von Essen aufgrund der anhaltenden Corona-Krise vor leeren Rängen stattfinden, findet Oberdorf «richtig schade»: «Besonders für die Spielerinnen, für die das Spiel das Highlight der ganzen Karriere sein könnte. Es wäre toll gewesen, wenn wenigstens die Freunde und die Familien dabei sein könnten. Das hätte doch auch mit dem nötigen Abstand klappen können», sagte sie dem NDR.

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(dpa)

Ich brauche das Spiel, sonst kriege ich einen Herzinfarkt.

— Winfried Schäfer